Wir beschäftigen uns hier auf unserer Website und in der OpenMind Akademie ständig ausführlich mit sensiblen Gefühlen, intensiver Wahrnehmung und ausgeprägter Empathie. Ich will aber auch das Gegenteil nicht unerwähnt lassen, die Alexithymie oder Gefühlsblindheit.

Wenn wir beachten, dass 10 Prozent aller Menschen von Gefühlsblindheit betroffenen sind, wird offensichtlich, dass für jeden hochsensiblen und hochsensitiven Menschen beinahe täglich unvereinbare Welten aufeinander prallen.

Gefühlsblindheit

Alexithymie, zu Deutsch oft als Gefühlsblindheit bezeichnet, ist ein Kunstwort, das übersetzt etwa „keine Worte für Gefühle“ heißt. Damit wird eine Persönlichkeitsstörung beschrieben, bei der Betroffene keinen oder kaum Zugang zu ihren Gefühlen haben. Für Betroffene bedeutet das auch, dass sie sich kaum in andere hineinversetzen können. Dies ist bedeutend, da nach neuesten Untersuchungen immerhin etwa 10 Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen sein sollen; dabei sind Männer häufiger betroffen als Frauen.

Wie äußert sich Alexithymie?

Alexithymie ist über das ganze Leben hinweg ziemlich konstant, sodass sie nur in wenigen Fällen erkannt wird und erst in den 1970er Jahren überhaupt als Persönlichkeitsstörung entdeckt wurde. Die Betroffenen haben zwar allen Untersuchungen nach Gefühle, beispielsweise Angst, Freude oder Schmetterlinge im Bauch, aber wissen sie in der Regel nicht als solche zu erkennen. Oftmals halten sie körperliche Anzeichen von Gefühlsregungen wie beispielsweise einen Reizdarm, einen erhöhten Pulsschlag bei Panik usw. für rein körperliche Symptome. Teilweise können Alexithymiker sich anpassen und von den Reaktionen der Umwelt ein eigenes, scheinbar angepasstes Verhalten entwickeln – doch das ist lediglich Fassade, den Zugang zu Gefühlen haben sie dadurch noch nicht gewonnen.

Wie bei allen Persönlichkeitsstörungen kommt Alexithymie natürlich auch in unterschiedlichen Abstufungen vor.

Je stärker sie entwickelt ist, desto schwerer fällt den Betroffenen auch der Umgang mit der Umwelt.

Die emotionale Intelligenz, die sich nur durch die Wahrnehmung der eigenen Gefühle entwickeln kann und Menschen empfänglich für die Gefühle der Menschen in ihrer Umgebung macht, ist eine wichtige Voraussetzung für ein befriedigendes Zusammenleben. Menschen, die Gefühle nicht erkennen können, haben es also im zwischenmenschlichen Bereich schwer, weil Menschen, die unter Alexithymie leiden, eben die Erwartungen und Wünsche ihrer Umwelt an Offenheit und Gefühlsäußerungen nicht erfüllen können.

Am schlimmsten ist dies wahrscheinlich für diejenigen, die sich in einer Partnerschaft mit einem Betroffenen befinden und neben der analysierenden Logik des Partners einfach die Zärtlichkeit und Romantik in der Beziehung vermissen. Betroffene wirken oft unnahbar und unfähig, emotionale Wärme auszustrahlen. Sie können nicht nachvollziehen, dass eine kurze Umarmung manchmal viel mehr sagt als eine lange Diskussion.

Wie kommt es zu Alexithymie?

Zur Entstehung der Alexithymie gibt es unterschiedliche Thesen. Einerseits wird davon ausgegangen, dass Betroffene schon in den prägenden Phasen der kindlichen Entwicklung in einer gefühlskalten Umgebung aufgewachsen sind und daher spontane Gefühlsäußerungen nicht kennengelernt haben.

Eine andere These ist, dass das Wahrnehmen von Gefühlen, vor allem von negativen Gefühlen, durch ein traumatisches Erlebnis „verlernt“ wurde. Traumatisierte Menschen sind oft nicht in der Lage, das Erlebte zu verarbeiten, und reagieren daher mit psychischen Schutzmechanismen wie Verdrängung. Dies könnte der Ausgangspunkt für die Gefühlserkaltung sein.

Hier können wir uns auch fragen, ob nicht gerade hochsensible Menschen als Reaktion auf ein Trauma mit der radikalen Abschottung der Gefühle reagieren könnten. Es gibt jedoch auch immer wieder Behauptungen, dass Hochsensibilität durch eine Traumatisierung entstanden oder begünstigt wurde. Wir wissen all das nicht genau.

Gibt es Besserung bei Gefühlsblindheit?

Letztlich ist das Gebiet noch zu wenig erforscht, um mit Sicherheit sagen zu können, ob den Betroffenen zu einem richtigen Gefühlsleben und somit zu einem echten Sozialleben verholfen werden kann. Es gibt jedoch Hinweise, dass eine Therapie eine Besserung bewirken kann – ob diese allerdings in wirklichem Fühlen oder eher in besserem Reagieren Ausdruck findet, ist unklar.

Die Therapie ist jedoch nicht nur für möglicherweise Betroffene angezeigt, sondern auch für deren Angehörige, damit sie den Alexithymiker besser verstehen können und seine Gefühlskälte als Teil seiner Person und nicht als Reaktion auf die eigene Person und die eigenen Handlungen begreifen.

Die Information der Bevölkerung über das Phänomen Alexithymie ist ein erster positiver Schritt, um die Missverständnisse zwischen Betroffenen und Nicht-Betroffenen zu minimieren. Von besonderer Wichtigkeit ist eine Therapie auch, wenn der oder die Betroffene Kinder hat – da sich die Tendenz zur Alexithymie höchstwahrscheinlich vererbt, sollte hier therapeutisch früh eingegriffen werden.

Was kann ein hochsensibler Mensch tun, wenn er Gefühlsblindheit vermutet?

Wahrscheinlich ist eine erste Erkenntnis, dass so manche Unerklärlichkeit in einer Kommunikation und viele Missverständnisse nichts mit der eigenen ausgeprägten emotionalen Sensibilität, sondern mit dem ausgeprägten Mangel an Emotionalität des anderen zu tun hat, eine einzige Erleichterung. Da ist niemand der dich ärgern will, da ist niemand boshaft, da ist „nur“ jemand einfach blind für das, was du siehst. Das führt oft zuerst zu einer ganz enormen Erleichterung!

Für das, was danach kommt, kann es keine spezifischen Rezepte geben.

Da hilft das, was immer hilft: Toleranz, Rücksicht, Geduld und Kommunikation.

Weitere Informationen und Berichte über Alexithymie finden sich hier:
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2006/02/Gefuehllose
http://www.n-tv.de/wissen/Gefuehlsblindheit-macht-krank-article2109961.html
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/tid-12377/gefuehlsblindheit-unempfindlich-fuer-emotionen_aid_344860.html

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Herzlichst
Anne