Haben Sie einen IQ-Test gemacht?

Wie hoch ist denn Ihr Intelligenz-Quotient? Sind Sie selbst auch hochbegabt? Wie ist das eigentlich bei Ihnen? Als Expertin für hochbegabte Erwachsene müssten Sie doch auch hochbegabt sein, oder nicht?“ Solche und ähnliche Fragen stellen mir manchmal Journalisten in Interviews.

Meine Antwort ist dann immer: „Ich kann Ihnen nicht sagen, ob ich HEUTE hochbegabt bin. Zwar habe ich gut geschlafen und beste Laune, aber man kann ja nie wissen. Denn: Meine Ergebnisse bei 6-7 IQ-Test im Laufe meines Lebens (der erste mit 5 zur Einschulung, weitere in Einzeldiagnostik und zwei Mensa-Tests) liegen zwischen 126 und 142. Tja, und nun? Bin ich’s heute oder bin ich’s eher nicht? Mir ist das völlig egal.“

Ob ich heute hochbegabt bin oder nicht, weiß ich nie genau

Vielleicht habe ich heute genug geschlafen, bin stressfrei in den Tag gestartet, habe das Richtige zu essen gehabt und so können meine Synapsen Funken schlagen. Aber wenn die Voraussetzungen nicht so optimal sind, kann es auch sein, dass ich den Grenzwert von 130 vielleicht nicht erreichen würde. Dann eben nicht. Was aber, wenn ich hochbegabt bin nach dem Test MWT-B, aber das Ergebnis nach I-S-T 2000 R Normalbegabung aufzeigen würde? Das habe ich mit Klienten erlebt. Sind das nicht absurde Überlegungen?

Übrigens: Spannend ist, dass mich Klienten nur sehr selten nach meiner Hochbegabung gefragt haben. Vielleicht weil sie sich schon ausreichend über den Sinn oder Nichtsinn von IQ-Test informiert haben? Fragen danach kommen meist von der Presse oder werden in Internetforen gestellt.

Über IQ-Tests

Die Kritik an den bekannten Intelligenztests ist nicht neu, denn es ist schon lange bekannt, dass sie nur Teilbereiche erfassen. Kritiker äußern, dass IQ-Tests allein schon deshalb nicht aussagekräftig seien, weil das Konstrukt Intelligenz, das gemessen werden soll, nicht genügend gut definiert sei. Das ist auch meine Haltung zur IQ-Testung.

Außerdem könnten sogenannte objektive Tests immer nur Teilbereiche dessen erfassen, was sie messen sollen. Diese Kritik ist nicht völlig unbegründet. Es stimmt, dass Intelligenz weder klar definiert, noch leicht zu messen ist. Im Gegensatz dazu können andere menschliche Dimensionen (Größe, Gewicht, Muskelkraft) objektiv gemessen werden.

Wie auch bei bestimmten anderen Körperteilen, kommt es bei der Intelligenz weniger auf deren Größe an, als darauf, was man damit macht

Der Intelligenzquotient erfasst viele Facetten der Persönlichkeit – wie die individuellen Maßstäbe eines Menschen, seine Werte und Visionen, Motive und Fähigkeiten – nicht. Dazu kommt, dass die IQ-Intelligenz genauso wenig wie eine Schulnote eine aussagekräftige Voraussage für Lebenserfolg, Problemlösungsfähigkeiten oder Zufriedenheit geben kann. Intelligenztests sind Produkte der 100 Jahre alten experimentellen Psychologie, die neusten Erkenntnisse von Kognitionswissenschaft und Gehirnforschung bleiben bei ihrer Anwendung jedoch völlig unberücksichtigt.

Darüber hinaus ist es möglich für die IQ-Testung zu üben

Je öfter ein Mensch diese Testung wiederholt, desto leicht fallen sie ihm und desto schneller erkennt er, was gefordert ist. Natürlich wird auch Lernen nicht den IQ von 80 auf 120 hochschnellen lassen, aber rund um die (willkürlich gewählte) Grenze der Hochbegabung (IQ-Wert 130) können die Ergebnisse schwanken und so zum Ergebnis „nicht hochbegabt“ führen, auch bei deutlich hoch- oder vielbegabten Menschen.

Die Umstände einer Testung

Ich kenne einen Mann, der als 10-jähriger Junge getestet wurde, weil er auffällig in der Schule war. Er wurde vorher über die Bedeutung des Tests (Förderschule oder nicht) informiert und stand unter hohem Druck. Sein Ergebnis: IQ 90. Es folgten 12 Jahre mit Ritalin-Medikation, damit er „beschult“ werden könne, bis er dieses Medikament mit 22 Jahren absetzte und nochmal zum IQ-Test ging. Sein Ergebnis dann: IQ 135. Auch das sagt aus, wie wichtig die Umstände der Testung sind.

Fest steht: Es herrscht eine einhellige Meinung darüber, dass es unterschiedliche Arten von Hochbegabung gibt und ebenso sicher ist es, dass es sehr viele unterschiedliche Definitionen und Hochbegabungsmodelle gibt.

Dennoch: Es ist für viele Menschen wichtig und hilfreich bei der Reise zum eigenen Selbst, wenn sie Informationen von neutraler Seite dafür erhalten können. Hierzu sind seriöse psychologische Tests wirklich nützlich.

Multiple Intelligenz

Es wird auch immer vergessen, dass alle vorhandenen ca. 70 IQ-Tests nur Teilbereiche der Intelligenz messen. Hiermit werden nur die kognitive (logisch-mathematische), sprachliche-linguistische, bildlich-räumliche Intelligenz gemessen. All diese anderen, die ich in dem Artikel Intelligenzformen beschrieben habe, werden überhaupt nicht erfasst. Und es gibt noch mehr Intelligenzbeschreibungen: Fluide und Kristalline Intelligenz.

Spät entdeckte Hochbegabung

Dennoch kann es für manche Menschen gut sein, so einen Test du machen. Bei spät erkannten Hochbegabten und für Erwachsene, die eine Hochbegabung bei sich vermuten, kann ein IQ-Test auch in höherem Alter sehr sinnvoll sein, um wenigstens in einem der Teilbereiche die Begabungen zu erkennen..

Dennoch bitte nicht vergessen: Es gibt so etwas wie eine Tagesform und manche Menschen haben Probleme mit Gruppentestungen, wie sie bei www.mensa.de angeboten werden. Auch das ist zu berücksichtigen.

Herzlichst,
Anne Heintze

 


 

Hier in diesem Interview spreche ich ein paar Minuten über IQ-Tests, schau es dir einfach kurz an:

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