Die Schreibanweisungen des expressiven Schreibens (siehe Artikel Teil 1) sind überschaubar und es ist auch nicht mit großem Aufwand verbunden. Wichtig ist, dass du deine Gefühle offen wahrnimmst. Denn Gefühlserfahrungen sind nun mal ein wesentlicher Bestandteil von Traumata und das Entwickeln von Erfahrungsvertrauen. Es ist sehr wichtig, dass du die Fähigkeit entwickelst, deine Gefühle zu spüren und diese zu benennen.

Die positiven ebenso wie die negativen Gefühle. Mach es dir dabei zur Aufgabe, unbedingt eine zusammenhängende Geschichte zu schreiben, denn nach einem Trauma scheint es so, als wäre alles außer Kontrolle geraten und vielleicht neigst du dazu einfach nur Stichworte aufzuzählen. Nein, dein Ziel sollte es sein, die Dinge wieder zusammenzusetzen, damit das Ganze einen Sinn ergibt. Ebenso solltest du lernen, deine Perspektiven zu wechseln. Menschen, die ein Trauma durchleben, neigen eher dazu, dieses nur aus einer bestimmten Perspektive zu sehen.

Es spielt keine Rolle, ob du deine Erfahrungen tippen oder per Hand aufschreiben willst.

Wenn du beim Schreiben merkst, dass dich ein Thema zu sehr aufwühlt, dann leg dieses erst einmal beiseite und wende dich einem anderen Thema zu. Ebenso solltest du darauf achten, wann der richtige Zeitpunkt für das expressive Schreiben gekommen ist. Liegt dein Trauma erst kurze Zeit zurück, dürfte es vermutlich noch zu früh sein, um das expressive Schreiben anzuwenden. Starte dann einige Wochen später einen neuen Versuch.

Wenn dich das Thema dann nicht mehr so aufwühlt, kannst du all deine Gedanken, Gefühle und Emotionen aufschreiben, um daraus eine Geschichte zu „basteln“. Du schreibst an vier aufeinanderfolgenden Tagen für je 20 Minuten alles auf, was dich bewegt. Achte darauf, dass du im Anschluss eine Erholungszeit von bis zu zwei Stunden zur Verfügung hast.

Der 1. Tag: Die Schreibanweisung

Am ersten Tag sollte es dein Ziel sein, über deine tiefsten Gefühle und Gedanken zu schreiben, die mit dem belastenden Ereignis zu tun haben. Wichtig ist, dass du beim Schreiben einfach loslässt und gründlich erkundest, was das Ereignis mit dir und deiner Gefühlswelt angestellt hat. Es ist ausreichend, wenn du am ersten Tag über das Erlebnis selbst schreibst und wie du dich dabei gefühlt hast. Ergänze deine Notizen mit den Gefühlen, die aktuell in dir vorherrschen. Es kann gut sein, dass du beim Schreiben andere Teile aus deinem Leben mit dem Trauma verbindest.

Verschließe dich diesen Erinnerungen nicht und schreibe beispielsweise auf, was das Trauma mit deiner Kindheit zu tun hat und in welchem Verhältnis das Ereignis mit deiner Ist-Situation steht. Du kannst auch aufschreiben, was deine Familie, deine Freunde oder dein Partner /deine Partnerin damit zu tun haben. Erkunde ganz genau, wie und womit dieses Ereignis verknüpft ist und mache dir bewusst, wer du in der Zukunft sein möchtest. Ergänzend dazu kannst du aufschreiben, wer du in der Vergangenheit warst. Hier gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Am ersten Tag ist es einfach nur wichtig, dass du deine tiefsten Gedanken und Gefühle fließen lässt und die belastende Situation erforschst. Und vergiss dabei nicht: Das Schreiben ist nur für dich selbst bestimmt.

Der 2. Tag: Die Schreibanweisung

Am zweiten Tag ist es deine Aufgabe, tiefer einzusteigen. Und zwar in deine innersten, verborgenen Gedanken und Gefühle. Du hast nun die Möglichkeit, über dasselbe Thema wie am Vortag zu schreiben. Du kannst allerdings auch ein anderes belastendes Erlebnis aufgreifen, um darüber zu schreiben. Die Schreibanweisung ähnelt der von gestern, wobei du jetzt versuchen solltest, das Erlebte mit anderen Ereignissen aus deinem Leben zu verbinden.

Mach dir dabei bewusst, dass ein Trauma alle Aspekte in deinem Leben beeinflussen kann. Das betrifft zum Beispiel deine Beziehungen, deine Arbeit, wie du dich selbst siehst und wie andere dich sehen, ja selbst der Blickwinkel auf deine Vergangenheit kann dadurch beeinflusst werden. Wenn du möchtest, kannst du auch darüber schreiben, inwiefern du für einige Teile des Ereignisses selbst verantwortlich bist.

Der 3. Tag: Die Schreibanweisung

Heute fährst du damit fort, deine Gedanken- und Gefühlswelt zu erkunden. Die Schreibanweisung unterscheidet sich also nicht wirklich von denen der ersten beiden Tage. Du solltest den Fokus heute darauf lenken, dass du die Ereignisse niederschreibst, die dein aktuelles Leben am meisten beeinflussen. Wichtig ist heute, dass du das bereits Geschriebene nicht wiederholst, nein, sieh es wie neu an. Versuche es aus verschiedenen Blickwinkeln zu erkunden.

Der dritte Tag ist von besonderer Bedeutung, da viele Menschen hier bei kritischen Inhalten ankommen, die sie vorher noch verdrängt haben. Am ersten Tag haben viele Probanden ihre Zehen buchstäblich nur in das kalte Wasser getaucht, während sie am dritten Tag ganz hineinspringen. Es gibt aber auch Menschen, die sich am ersten Tag am meisten öffnen, während sie im Laufe der viertägigen Phase an Fahrt verlieren. Doch beide Abläufe sind ein Zeichen dafür, dass eine Wirkung eintritt.

Der 4. Tag: Die Schreibanweisung

Heute ist dein letzter Schreibtag und auch dieses Mal bist du dabei, deine tiefsten Gedanken und Gefühle zu erkunden. Nun kannst du einen Schritt zurücktreten und darüber nachdenken, welche Gedanken, Probleme, Gefühle und Ereignisse du aufgedeckt hast. Falls du dich mit bestimmten Aspekten noch nicht konfrontiert hast, kannst du diese jetzt verbinden. Stell dir die Frage, was du aufgrund deines Traumas gewonnen, verloren oder gelernt hast. Denk darüber nach, wie das vergangene Ereignis deine künftigen Handlungen und Gedanken leiten wird.

Das expressive Schreiben kann nur dann funktionieren, wenn du wirklich alles geschehen lässt und dabei vollkommen ehrlich zu dir bist. Versuche deine Erfahrungen und Erlebnisse in eine Geschichte zu verpacken, die du bedeutungsvoll mit in die Zukunft nehmen kannst, da diese nun für dich Sinn ergibt.

Herzlichst
Anne