Früher wurden sie belächelt und als bemitleidenswerte Geschöpfe mit exotischen Fähigkeiten abgestempelt, später wurde das ungewöhnliche Funktionieren ihrer Gehirne generell dem Autismus zugerechnet: Die sogenannten Savants.

Der Begriff kommt aus dem Französischen und bedeutet soviel wie „Wissende“ oder „Weise„. Heute wissen Hirnforscher immer mehr die herausragende Genialität einer solchen Inselbegabung zu würdigen. Ziel ist, dem Phänomen ohne Vorurteile und mit Offenheit für die besondere Hochbegabung und Empfindsamkeit dieser Menschen zu begegnen.

Das sehr spezielle Wissen ist bei einer Inselbegabung gekoppelt mit einer nicht krankhaften (wie früher oft angenommen), sondern vielmehr anderen, sehr sensiblen Sicht auf die Dinge und die Welt. Wer Zugang zu dieser Welt finden will, muss sich seinerseits nicht nur der Hochbegabung, sondern auch dem Menschen dahinter mit viel Sensibilität nähern. Den Forderungen des Alltags gegenüber zeigen sich Savants oft hilflos und unsicher, alleine leben können die wenigsten.

Berühmtestes Beispiel ist vielleicht Kim Peek, der 12.000 Bücher auswendig kannte und die Telefonnummern sämtlicher Anschlüsse in den USA im Kopf hatte. Peek, dessen Lebensgeschichte durch den Film „Rain Man“ mit Dustin Hoffman weltberühmt wurde, verbrachte seine Tage zeitlebens in einer psychiatrischen Einrichtung. Genies der Hochbegabung mit sehr speziellen Talenten wie Sir Isaac Newton, Wolfgang Amadeus Mozart oder Albert Einstein blieb dieses Schicksal erspart – obwohl prominente Hirnforscher wie der Ire Michael Fitzgerald vom berühmten Trinity College in Dublin diese drei Genies der menschlichen Kultur und Wissenschaft den Savants zurechnen.

Die Grenze zwischen überragenden Talenten mit Hochbegabung und der Einstufung als Savant ist fließend

Auch dem Künstler oder Philosophen, dem Wissenschaftler oder Erfinder, ist meist eine hohe Sensibilität zu eigen, die bis zu Menschenscheu, Abkapselung von der Gesellschaft und Lebensuntüchtigkeit führen kann (aber nicht muss). Das Klischee vom zerstreuten Professor hat hier ebenso seine Wurzeln, wie das Bild vom einsamen oder emotional gestörten Künstlergenie.

Biografien von Künstlerpersönlichkeiten oder Denkern wie van Gogh oder Ludwig van Beethoven, Arthur Schopenhauer oder Immanuel Kant kommen in den Sinn, allesamt auf ihrem Gebiet Meister der Genialität, im Privatleben unsicher, weltfremd und hypersensibel.

Waren alle diese Künstler Savants oder sogar Autisten?

Tatsache ist, dass die meisten Forscher eine Verbindung zwischen Autismus und Inselbegabung einerseits und Kreativität andererseits herstellen. Nach vorherrschender Lehrmeinung sind rund 50 Prozent aller Savants Autisten, was nicht heißt, das alle Autisten Hochbegabte oder gar Savants sind. Die meisten Autisten leben abgeschottet in ihrer eigenen Innenwelt ohne jemals durch Genialität wie perfektes Klavierspiel, die Beherrschung mehrerer Fremdsprachen oder überragendes Zeichentalent in Erscheinung zu treten. Um ein Savant zu sein, bedarf es also mehr, als einer autistischen Disposition.

Welche Vorgänge im Gehirn beim Einzelnen dafür verantwortlich sind, dass aus normaler Kreativität und Sensibilität eine echte Inselbegabung wird – dieses Phänomen hat die Hirnforschung bis heute noch nicht eindeutig entschlüsseln können. Dass es letztendlich neuronale Fehlschaltungen zwischen der linken und rechten Hirnhälfte sind, die dafür den Grundstock legen, davon geht die neurowissenschaftliche Forschung heute mehrheitlich aus.

Untermauert wird diese These dadurch, dass Inselbegabung auch bei Menschen, die vorher nicht autistisch waren, nach einer Hirnverletzung auftreten kann. In jedem Fall legen Forschungen und die daraus gezogenen Schlüsse wie die von Professor Fitzgerald nahe, Menschen mit ausgeprägter Hochbegabung gerade wegen ihrer hohen Sensibilität ohne Vorurteile zu begegnen.

Kurz: Hochbegabung und Genialität sind nicht eins. Herausragende Leistungen und exorbitante Fähigkeiten auch nicht. Es gibt auch hier viele Abstufungen und keine 08/15 Beschreibung, was Hochbegabung meint.

Herzlichst
Anne

PS. Übrigens würden sicher sowohl Mozart als auch Kant bei den klassischen IQ-Tests durchfallen. Was sagt uns das über diese Tests?